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Eine Welt der Gierigen? Was bedeuten die neuen Wortschöpfungen und treffen sie zu?

Im politischen Diskurs, Social Media oder in Charts begegnen uns immer wieder neue Begriffe. Einige erklären sich von selbst, andere bleiben vielen Menschen rätselhaft. Nicht selten setzen sich neue Wortkonstruktionen im Alltag fest. Aber wie zutreffend sind sie eigentlich?

Der Sorge um die Energieversorgung folgt die Inflation

In den letzten zwei Jahren hat der russische Angriffskrieg auf die Ukraine wohl die meisten Menschen bewegt. Neben der Empathie für die Menschen im überfallenen Land spielten die Auswirkungen auf das eigene Leben eine wichtige Rolle. In den ersten Monaten ging es vor allem um die Energiesicherheit und deutlich steigende Preise in diesem Sektor. Neben der Hilfe für die Bürger stellte sich für die politisch Verantwortlichen im Oberbergischen Landkreis die Frage, ob die aktuelle Struktur der Stromversorgung noch zeitgemäß ist.

In Bergneustadt bezweifelt dies besonders die SPD-Fraktion im Stadtrat und stellte einen Antrag auf die Gründung eigener Stadtwerke. Die Parlamentarier aller Fraktionen verabredeten, den Vorschlag in alle Richtungen zu prüfen. Entscheidend sei, ob sich das Projekt technisch, rechtlich und vor allem auch wirtschaftlich umsetzen lasse. Explodierende Energiepreise standen schließlich am Anfang einer Entwicklung, welche die Bürger in unserer Region bis heute vor Herausforderungen stellt.

Befürchtete Engpässe in der Energieversorgung konnten zwar verhindert werden, aber die galoppierenden Preise waren der Anfang einer in Deutschland lange nicht gekannten Inflation. Gerade wegen der Erfahrungen früherer Generationen haben die Deutschen eine extreme Angst vor einer Geldentwertung.

Alte Ängste flammten wieder auf

Ein Trauma, das viele bis heute nicht überwunden haben, war die Hyperinflation 1923. Sie führte besonders Arbeiter und Teile des Bürgertums in eine bittere Armut, von der sie sich nicht mehr erholten. Als nach einigen Jahren des Aufschwungs 1929/30 eine Weltwirtschaftskrise eintrat, hatte dies besonders für die Verlierer von 1923 verheerende Auswirkungen.

So erinnerte beispielsweise die Oberbergische Abteilung des Bergischen Geschichtsvereins an diese schlimme Zeit, die zufällig vor genau 100 Jahren viele Menschen ins Elend stürzte. Damals liefen die Menschen mit Waschkörben voll Geld in die Geschäfte, um die Dinge des täglichen Lebens zu kaufen. In Oberberg gab es Geldscheine mit einem Wert von mehreren Milliarden Mark, in der benachbarten Provinz Westfalen wurden Notmünzen ausgegeben. Das ohnehin angeschlagene Vertrauen in die Weimarer Republik erodierte. In der Weltwirtschaftskrise von 1929/30 war es endgültig aufgebraucht.

Ein derartiges Szenario bleibt uns heute wohl erspart, aber die Lebensmittelpreise ziehen weiter an. Ein neuer Begriff fand Einzug in unsere Sprache, die Gierflation. Laut dem Portal bedeutungonline.de beschreibt der Ausdruck umgangssprachlich eine Profit-Preis-Spirale. Nach Ansicht der Bundesregierung liegen zwar keine Erkenntnisse über ungerechtfertigte Preiserhöhungen vor, aber die Wahrnehmung der Bevölkerung ist eine andere. Und so hält sich der Begriff hartnäckig.

Die Auswirkungen der Inflation sind übrigens nicht nur im Supermarkt zu spüren. Die deutlich gestiegenen Zinsen sorgen auf dem Immobilienmarkt für Turbulenzen. So sank zuletzt im Oberbergischen Landkreis die Nachfrage und damit auch der Preis für Häuser und Grundstücke. Dass die Menschen besorgt sind und dabei zu der einen oder anderen neuen Wortschöpfung greifen, wundert nicht.

Wie teuer ist der Teuro?

Der Euro hatte schon vor seiner Einführung viele Gegner, die häufig aus Deutschland kamen. Aus der Erfahrung von 1923 entstand in den westlichen Besatzungszonen nach dem Zweiten Weltkrieg die Deutsche Mark, die bis Ende 2001 für eine hohe Stabilität bekannt war. Zwar war es der deutschen Politik wichtig, Stabilitätskriterien in die Euro-Verträge zu verhandeln, trotzdem blieb die Skepsis groß.

Mit der Einführung des Euro am 1. Januar 2002 kamen die neuen Preise. Wer sie in D-Mark umrechnete, kam schnell zum Eindruck, dass Handel und Industrie die Währungsumstellung zu versteckten Preiserhöhungen nutzen. Politik und Kartellamt sahen zwar keine grundsätzliche Teuerung, aber im deutschen Sprachraum entwickelte sich schnell der Begriff „Teuro“.

Wie der Focus Ende 2022 feststellte, lag die Teuerung in einigen Marktsegmenten tatsächlich deutlich über der von der Europäischen Zentralbank anvisierten Inflation von zwei Prozent. Generell ließ sich eine starke Inflation jedoch nicht nachweisen. Ökonomen wie Bernd Lucke warfen der Notenbank zudem immer wieder vor, die Sparguthaben zu vernichten. Er begründete dies mit der Niedrigzinspolitik. Heute liegen die Zinsen deutlich höher, konnten jedoch bisher die Inflation nicht kompensieren.

Inzwischen ist die Teuerung gesunken, sodass die Sparer erstmals seit langer Zeit wieder reale Erträge erhalten könnten. Die EZB plant allerdings schon wieder die ersten Zinssenkungen. Und so bleibt der Begriff „Teuro“ für den Euro wohl eher zutreffend.

Fazit

Gesellschaftliche Ereignisse sind nicht selten für das Entstehen neuer Wörter verantwortlich. Vor der Verwendung dieser Begriffe lohnt sich eine Untersuchung, wie zutreffend die Beschreibung ist. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass neue Wortschöpfungen nicht immer ausreichend differenzieren.

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