Einen völlig unnötigen Nachweihnachts-Handball-Krimi bot der VfL Gummersbach seinen 4.132 Fans in der ausverkauften SCHWALBE arena am heutigen Nachmittag. Vielleicht war man sich mit dem deutlichen 15:7-Pausenstand im Rücken zu sicher, dass es hier und heute nur einen Sieger geben kann. Der Aufsteiger zeigte allerdings nach der schwachen ersten Halbzeit in Durchgang zwei, dass die TVB-Spieler durchaus Handball spielen können und auch Bundesliganiveau haben. Auf diese Art und Weise arbeiteten sie sich schrittweise heran, bedingt allerdings durch etliche Nachlässigkeiten des VfL.
Zunächst war für die VfL-Fans aber noch alles in Ordnung. Stuttgart konnte zwar nach der Pause zum ersten Mal Durchschlagskraft im Angriff demonstrieren, aber der VfL schlug zunächst immer in den richtigen Momenten zurück. Ein Hammer von Julius Kühn zum 19:13 (41.) war so ein Zeichen, das 20:15 durch Simon Ernst (43.) ein weiteres. Dennoch steckte der Aufsteiger nicht auf, zumal Torhüter Dragan Jerkovic einen starken Eindruck hinterließ. Drei Tore in Folge zum 20:18 weckten die VfL-Fans in der SCHWALBE arena endgültig auf. Zehn Minuten vor Spielende sah es dann einmal mehr nach der Entscheidung aus. Zunächst erzielte Tobias Schröter das 22:19 (50.), und auf der Gegenseite hielt Carsten Lichtlein einen seiner vier Siebenmeter. Schröters Tor zum 23:19 roch dann nach der Entscheidung, aber auch dies sollte heute nicht so sein, obwohl Gunnar Stein Jonssson mit seinem Siebemeter zum 24:20 (55.) erneut auf vier Tore erhöhte.
Was dann folgte war allerdings die totale Konfusion beim VfL. Knapp zwei Minuten vor Schluss schoss Kühn das 25:22, und nach weiteren Ballverlusten stand es plötzlich nur noch 25:24. Zehn Sekunden vor Schluss stand dann Schröter völlig blank und scheiterte an Jerkovic. Nach dem folgenden Zweikampf um den Ball standen noch sechs Sekunden auf der Uhr, und der TVB hatte den Ball. Und es sollte noch für einen weiteren Angriff reichen, aber Dominik Weiß scheiterte aus zwölf Metern an Matchwinner Carsten Lichtlein.
Ein alles in allem verdienter Sieg für den VfL gegen einen erneut aufopferungsvoll kämpfenden Aufsteiger. Die Gäste legten nach der Partie noch Einspruch gegen die Wertung ein, da die Uhr kurz vor Schluss trotz Spielunterbrechung weiterlief und Co-Trainer Karsten Schäfer für diesen Hinweis eine Zwei-Minuten-Strafe erhielt. VfL-Geschäftsführer Frank Flatten sieht diesen Einspruch allerdings gelassen entgegen, zumal die Gäste ihrerseits einen Regelverstoß begangen haben und den letzten Spielzug ohne gekennzeichneten Torhüter durchführten, da sie den Spieler mit Leibchen nach der Zeitstrafe vom Feld nahmen.
In den ersten 30 Minuten sagte das Ergebnis fast alles über den Spielverlauf aus, denn ebenso einseitig war diese Partie zwischen dem VfL und dem Aufsteiger. Bereits in der ersten Aktion, konnte der Gast Magnus Persson nur per Foul stoppen. Raul Santos verwandelte den Siebenmeter mit einem gekonnten Heber. Auf der anderen Seite stand der VfL sehr sicher in der Deckung und die Stuttgarter wirkten hilflos. Erneut Santos und Julius Kühn erhöhten auf 3:0. Erst als Spielmacher Simon Ernst mit einer blutenden Wunde behandelt werden musste, kam der Gast auf 3:2 heran. Allerdings auch nur bedingt durch Nachlässigkeiten des VfL im Angriff, die im Anschluss aber wieder Ernst machten. Nach dem 7:5 (17.), setzte der VfL binnen acht Minuten mit einem eindrucksvollen 6:0-Lauf ein deutliches Ausrufezeichen.
In dieser Phase ließ der VfL dem Gast nicht die Spur einer Chance und jeder Besucher in der Arena dachte, dass diese die Entscheidung der Partie sein musste. Der TVB blieb mit seinen Angriffen immer wieder in der VfL-Deckung hängen oder wurde von den Gummersbacher Abwehrspielern zu Ballverlusten oder Fehlwürfen gezwungen. „Das war vielleicht unsere beste Saisonleistung in der Deckung“, erklärte auch Trainer Emir Kurtagic nach dem Spiel, wobei das nur für Durchgang eins galt. Kurz vor der Pause sorgte dann auch noch Magnus Persson mit einem tollen Schlagwurf zum 15:7 für ein weiteres Highlight, und die Partie schien entschieden.
VfL Gummersbach: Carsten Lichtlein (1. bis 39. und ab 51., 9 Paraden, darunter 4 Siebenmeter), Matthias Puhle (39. bis 51.); Tobias Schröter (2), Simon Ernst (3), Julius Kühn (6), Magnus Persson (2), Evgeni Pevnov, Gunnar Stein Jonsson (3/2), Florian von Gruchalla (1), Alexander Becker, Andreas Schröder (2), Raul Santos (6/3), Christian Zufelde, Andreas Heyme (n. e.).
TVB 1898 Stuttgart: Dragan Jerkovic (14 Paraden), Yunus Özmusul (bei 5 Siebenmetern, davon drei gehalten); Tobias Schimmelbauer (3), Dominik Weiß (6), Kasper Kisum (5), Djibril M’Bengue (5), Teo Coric, Simon Baumgarten (1), Viorel Fotache, Alexander Heib, Finn Kretschmer (1), Michael Spatz (3/3), Sebastian Arnold, Florian Schöbinger, Martin Kienzle, Michael Seiz.
Siebenmeter: 8:5 – 8:3 (Santos scheitert zweimal an Özmusu, Persson einmal – Spatz scheitert zweimal an Lichtlein und einmal am Pfosten, Seiz und Kisum scheitern je einmal an Lichtlein).
Zeistrafen: 4:12 (Kühn, Persson – Schimmelbauer, Weiß/zweimal, M’Bengue, Fotache, Co-Trainer Karsten Schäfer).
Schiedsrichter: Martin Thöne / Marijo Zupanovic.
Zuschauer: 4.132 (ausverkauft).
Spielfilm: 3:0 (7.), 3:2 (11.), 6:2 (14.), 6:4 (16.), 7:5 (17.), 13:5 (25.), 15:7 (Halbzeit) – 17:9 (34.), 18:13 (40.), 20:15 (43.), 20:18 (48.), 23:19 (52.), 24:20 (55.), 25:22 (59.), 25:24 (Endstand).
Stimmen zum Spiel
Thomas König (Trainer TVB): „Ich habe solch knappe Spiele diese Saison schon öfter erlebt. Nach der desolaten ersten Halbzeit können wir zumindest einen kleinen positiven Eindruck aus Halbzeit zwei mit in die Pause nehmen. In der ersten Halbzeit haben wir Alibi-Handball gespielt und dazu noch viele Fehler gemacht. Nach dem Wechsel haben wir dann gezeigt, dass wir in der Liga mithalten können. Am Ende war es dann noch ein Herzschlagfinale und wir hatten sogar die Chance zum Ausgleich. Dennoch geht der Sieg des VfL in Ordnung.“
Emir Kurtagic (Trainer VfL): „Eigentlich müsste man jetzt auf alles draufhauen, aber Weihnachten liegt hinter und der Jahreswechsl vor uns. Wir haben in der ersten Halbzeit sehr, sehr gut verteidigt. Leider hat man nach dem Wechsel auch gesehen, was uns noch fehlt. Wir müssen reifer werden und intelligenter spielen. Dann passiert so etwas gar nicht erst. Dennoch haben wir das Jahr mit 20:20-Punkten abgeschlossen, und das trotz der Verletztungsprobleme. Wir bedanken uns bei den tollen Fans für die großartige Unterstützung im Jahr 2015 und freuen uns auf das neue Jahr.“
Frank Flatten (Geschäftsführer VfL): „In den ersten 30 Minuten haben wir eine überragende Abwehrleistung unserer Mannschaft gesehen. Nach dem Wechsel hatte ich den Eindruck, dass einige Spieler schon mit den Gedanken im Urlaub waren. Dennoch haben wir das Spiel gewonnen und unser Ziel, das Jahr mit 20 Pluspunkten abzuschließen, erreicht. Neben der sportlichen Leistung in dieser Saison hat mich die Stimmung in der SCHWALBE arena einmal mehr begeistern. Vielen, vielen Dank bei den Fans für diese tolle Unterstützung.“
Jürgen Schweikardt (Geschäftsführer TVB): „50 Minuten war es eigentlich keine spannende Partie, aber in der Schlussphase habe ich gemerkt, dass die Spieler an ihre Chance geglaubt haben. Das war beim Stand von 0:0 leider nicht der Fall. Nach der katastrophalen ersten Halbzeit hat die Mannschaft aber immerhin bewiesen, dass sie zu keiner Zeit aufgesteckt und Moral hat. Dennoch war der VfL-Sieg verdient.“
Quellennachweis: VfL Handball Gummersbach GmbH