„Wir wollen nächste Saison angreifen“
Gummersbach – Der VfL Gummersbach hat die DKB Handball-Bundesliga 2015/2016 als Tabellenneunten abgeschlossen und damit das Saisonziel erreicht. Neben den nackten Zahlen gibt es aber weitere Punkte, die beim Traditionsclub für gleichzeitig zufriedene und ambitionierte Gesichter sorgen. Geschäftsführer Frank Flatten und Trainer Emir Kurtagic blicken mit einem gesunden Selbstvertrauen zurück auf die abgelaufene Saison und in die Zukunft.
Sie haben die Saison mit einem einstelligen Tabellenplatz abgeschlossen und damit das sportliche Ziel erreicht.
Kurtagic: Vollkommen richtig, auch wenn es letztendlich etwas knapp war. Dennoch haben wir allen Grund auf eine rundum gelungene Saisonleistung zurückzublicken. Wir als VfL Gummersbach entwickeln uns in allen Bereichen stetig weiter. Das ist für mich die positivste Erkenntnis des letzten Jahres.
Flatten: Die Mannschaft hat bei vier Spielen weniger drei Punkte mehr geholt als im Vorjahr. Das war in dieser Form nicht zu erwarten. Darüber hinaus wurde in allen Bereichen großartig gearbeitet. Wir haben einen starken, kompetenten und gleichzeitig besonnenen Beirat, starke Gesellschafter, eine weiterhin entwicklungsfähige Mannschaft und natürlich ein großartiges Fanpotenzial. Besonders wichtig sind dabei unsere Sponsoren, insbesondere die drei Hauptsponsoren Schwalbe, Ferchau sowie Schmidt + Clemens, die uns „das Fundament“ gebaut haben. Nicht zu vergessen auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Geschäftsstelle, die alle ihr Bestes tun.
Das Umfeld ist top. Wenn es Kritik gibt, ist diese konstruktiv. Alle Personen im und um den VfL Gummersbach leben den Club und merken, dass hier gut gearbeitet wird. Nur mit all diesen Facetten konnte der Weg bis hierhin beschritten werden und auch nur so können wir ihn weitergehen.
Kurtagic: Diese aufgeführten Aspekte erleichtern uns die tägliche sportliche Arbeit ungemein und spornen uns weiter an. Und man darf unser Verletzungspech auch nicht außer Acht lassen. Wir mussten oftmals auf ein halbes Dutzend Spieler verzichten und haben nicht in einem Spiel mit der kompletten Besetzung gespielt. All das hat die Mannschaft weggesteckt und kompensiert, was der ultimative Beleg für Einsatz und Teamspirit ist.
Gibt es auch Dinge, die Ihnen sportlich nicht gefallen haben?
Kurtagic: Sicherlich auch das. In den Spielen gegen die „drei Großen“ der Liga waren wir oftmals chancenlos. Das muss sich ändern, wenn wir sportlich noch mehr erreichen wollen. Das sind natürlich auch Erfahrungswerte, aber auch Dinge, die man sich erarbeiten kann. Wenn wir angreifen wollen, können wir nicht vor jedem Spiel gegen ein Topteam sagen: Wir haben nichts zu verlieren. Dafür haben wir die sonstigen Aufgaben ab Platz vier abwärts aber großartig gelöst.
Flatten: Wir hatten in dieser Saison eine bekannte Schwächephase, in der wir absolute Ruhe bewahrt haben und aus der die Mannschaft gestärkt hervorgegangen ist. Das macht mich persönlich stolz und spricht für den Teamgeist. Vor dem Spiel zu Hause gegen Göppingen, in dem wir diese Minikrise beendet haben, haben die Fans Spalier gestanden. So etwas habe ich in Gummersbach noch nicht erlebt.
Kurtagic: Ich bin seit gut 20 Jahren beim VfL und eine solche Begeisterung wie in dieser Spielzeit habe ich ehrlich gesagt auch noch nicht erlebt. Kompliment an unsere großartigen Fans.
Diese Mannschaft spielt nun seit zwei Jahren komplett zusammen. Lediglich Evgeni Pevnov kam vor einem Jahr hinzu, und Kevin Schmidt in der Saison. In welchen Bereichen hat sich dieses junge Team gesteigert?
Kurtagic: Wir haben uns in allen Bereichen verbessert, und das ist auch statistisch belegbar. Zunächst einmal haben wir weniger Tore bekommen und mehr erzielt. Wir haben mehr Gegenstoßtreffer erzielt und uns sowohl im Unterzahl- als auch im Überzahlspiel stark verbessert. Es ist also ein kollektiver Prozess, in dem sich die Mannschaft weiterentwickelt und sich dies auch Tag für Tag erarbeitet.
Seit mehr als zwei Jahren macht diese junge Mannschaft nun auf sich aufmerksam. Sie haben in dieser Zeit mehr als ein halbes Dutzend Spielerverträge verlängert. Wie schwer und vor allem wie kostspielig war dies?
Flatten: In der Entwicklung des Vereins wird es leichter, Verträge zu verlängern oder zu schließen. Die Verträge mit Simon Ernst und Julius Kühn als Beispiel – die wir bereits im Oktober 2015 unterschrieben haben – wurden verlängert, da beide Spieler sich auch mit dem VfL Gummersbach identifizieren. Die Spieler wissen, was sie am VfL Gummersbach haben. Hier können sie in Ruhe arbeiten, bekommen ihre Einsatzzeiten und entwickeln sich weiter. Zudem sehen sie sich als Teil eines Projektes, das große Möglichkeiten bietet. Natürlich wird der Gesamtetat ausgeweitet werden müssen, um diesen Weg kontinuierlich weiter zu gehen. Aber auch daran arbeiten wir.
Kurtagic: Das sehe ich auch so. Natürlich haben einige Spieler einen Aufstieg erlebt, der in dieser Form nicht zu erwarten war. Dennoch sind sie immer noch dabei, sich in der stärksten Liga der Welt dauerhaft zu etablieren. Perspektive, Einsatzzeiten, Zusammenhalt und gute Arbeitsbedingungen spielen trotz finanzieller Anreize bei meinem jungen Team auf jeden Fall eine Rolle.
Und wenn doch einmal das Mega-Angebot für einen Spieler kommt?
Flatten: Natürlich kann das passieren, aber normalerweise noch nicht zu diesem Zeitpunkt. Hinzu kommt, dass es genügend Negativbeispiele gibt. Falsche oder vorschnelle Entscheidungen junger Spieler, die sich dadurch ihren sportlichen Entwicklungsprozess verbaut haben. Mittlerweile hat sich in der Szene längt herumgesprochen, dass wir jungen Spielern sowohl Einsatzchancen als auch Perspektive bieten und natürlich auch gute Gehälter zahlen.
Kurtagic: Natürlich können unsere Spieler einmal in diese Situation kommen, in der sie mit ganz anderen Summen konfrontiert werden. Man darf aber auch nicht vergessen, dass viele unserer Akteure erst zwei, drei Jahre Bundesliga spielen beziehungsweise erst seit dieser Zeit Stammspieler sind. Bis auf Carsten Lichtlein haben wir nicht etwa gestandene Nationalspieler verpflichtet, sondern überwiegend unbekanntere Spieler herangeführt und diese letztendlich auch kollektiv besser gemacht.
Das soll aber noch nicht das Ende sein. Sie haben bereits angekündigt, dass Sie nun den nächsten Schritt machen möchten.
Kurtagic: Richtig. Man muss sportliche Ziele haben, und wir sind von unserem Team überzeugt. Wir möchten bereits in der nächsten Saison die Europacupplätze angreifen, auch wenn wir wissen, wie groß die Konkurrenz ist. Wenn wir gesund bleiben und Kévynn Nyokas schnell integrieren, traue ich der Mannschaft einiges zu.
Flatten: Wir haben den Markt sehr lange beobachtet, und die Verpflichtung Nyokas wird für beide Seiten einen positiven Effekt haben. Durch ihn sind wir noch schwerer auszurechnen. Zudem war es die absolut richtige Entscheidung, Kevin Schmidt bereits frühzeitig als Nachfolger von Raul Santos zu verpflichten. Er hat sich nun komplett eingelebt und wird uns noch sehr viel Freude bereiten. Mark Bult wird darüber hinaus topfit zurückkehren. Unsere Mannschaft wird somit noch stärker und die vielen Nachwuchsspieler werden für zusätzlichen frischen Wind sorgen.
Wir stellen uns weiter unseren Aussagen von vor drei Jahren: Wir wollen wieder international spielen – spätestens in der Saison 2018/19, und wir bilden Nationalspieler aus. Letzteres haben wir schon bewiesen.
Stichwort Nachwuchs. Mit Lasse Hasenfurther, Marcel Timm, Daniel Mestrum, Max Jaeger und Sebastian Schöneseiffen stoßen fünf junge Spieler hinzu. Zusammen mit Tobias Schröter und Andreas Heyme gehören dann sechs Akademie-Spieler dem Kader an. Ein Risiko?
Kurtagic: Nein. Sicherlich haben wir uns nach der abgelaufenen Saison von einigen wenigen älteren Spielern getrennt, aber die jungen Spieler haben ihr Potenzial bereits an vielen Stellen angedeutet. Das ist unser Weg und wir sind davon überzeugt.
Flatten: Fünf dieser Spieler hatten bereits Einsatzzeiten in der Bundesliga, und Florian Baumgärtner als ebenfalls junger Spieler kommt ja auch noch hinzu. Wir werden vielleicht den jüngsten Bundesligakader der Saison 2016/2017 haben, aber wir sehen das keinesfalls als Risiko, sondern als große Chance.
Stichwort Europapokal. Könnte sich der VfL das überhaupt leisten? Schließlich ist zum Beispiel die Teilnahme am EHF-Pokal immer mit hohen Kosten verbunden.
Flatten: Diese Frage stellt sich nicht, zumal man sich ja zunächst einmal sportlich qualifizieren muss. Darüber hinaus ist der Imagegewinn immens. Wenn wir es tatsächlich schaffen sollten, werden wir auch die finanziellen Dinge regeln. Wir haben starke Sponsoren, der Business Club wächst stetig und die Dauerkartenverkäufe steigen ebenfalls an. Diese ganzen Faktoren geben uns den Mut, auch sportlich höhere Ziele anzupeilen.
Die Unterstützung der Fans sollte Ihnen gewiss sein?
Flatten: Auf jeden Fall. Mehr als ein halbes Dutzend der Heimspiele waren ausverkauft und die Nachfrage nach Dauerkarten wird immer größer. Viele Fans haben in den letzten Monaten keine Karten mehr bekommen und natürlich spart man mit einer Saisonkarte auch Geld. Uns macht jede einzelne verkaufte Dauerkarte stolz und bestätigt uns auf unserem Weg.
Kurtagic: Wie bereits erwähnt. Eine solche Begeisterung habe ich hier noch nicht erlebt. Mein Dank an die Fans.
Abschlussfrage: Jochen Fanger wird das Team ab der neuen Saison als Mannschaftsverantwortlicher unterstützen. Wie kam es zu dieser Personalentscheidung?
Kurtagic: Ich kenne Jochen schon sehr lange, habe ihn als tollen und fachkundigen Menschen kennengelernt und freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit. Darüber hinaus haben wir ja auch noch sehr gute Trainer im Nachwuchsbereich sowie mit David Höhfeld einen großartigen Athletiktrainer. Wir sind also bestens aufgestellt.
Flatten: Ich bin auch davon überzeugt, dass wir auch ohne einen klassischen Co-Trainer bestens aufgestellt sind. Einen Athletikcoach wie David zum Beispiel, der großartige Arbeit leistet, ist ein viel wichtigerer Faktor und für die Spieler von hoher Bedeutung. Und natürlich sind wir sehr froh, dass sich mit Jochen ein ehemaliger VfL-Spieler bereit erklärt hat, unser Projekt mit zu begleiten und zu unterstützen.