Mittelstand Oberberg

Hau ab, wir brauchen dich nicht: Martin Gaedt beleuchtet Fachkräftemangel

Bergneustadt – Ganz Deutschland redet vom Fachkräftemangel. Doch was ist das überhaupt? Was kann man dagegen tun? Oder ist alles nur ein Mythos? Um diese Fragen zu klären, hatten die Familienunternehmer ASU und BJU am 12. März zum 7. Gewerbe im Gespräch in den Krawinkelsaal eingeladen.

Martin Graedt - Fotos: Johanna Behrendt
Martin Graedt – Fotos: Johanna Behrendt

Zu Gast war diesmal Autor Martin Gaedt aus Berlin. Diesen hatte ASU-Vorsitzende Marlene Weiner bei Twitter kennengelernt. Sein aktuelles Buch „Mythos Fachkräftemangel“ soll aufrütteln und zeigen, was auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland schief läuft. Schonungslos bringt er falsche Vorgehensweisen der Unternehmen bei Bewerbungsverfahren ans Licht und spricht Klartext in Sachen Fachkräftemangel.

An etlichen Beispielen offenbart er, wie kontraproduktiv Personaler an die Rekrutierung neuer Fachkräfte herangehen würden. Da ist das neuseeländische Pärchen, welches Deutschland nach nur zwei Monaten überstürzt wieder verlässt, obwohl es 20 Jahre hier arbeiten wollte; da sind 150 Studenten, von denen die Mehrheit die Firmen im Umkreis ihrer Universität gar nicht kennt oder auch der jobsuchende, qualifizierte Arzt, welcher mit Standard-Mails abgespeist wird, obwohl das Krankenhaus eigentlich Bedarf hat.

Welcher Papierflieger fliegt am weitesten?
Welcher Papierflieger fliegt am weitesten?
Die Praxis zeigt, dass es ungewöhnliche Formen weiter bringen. das gilt auch für Bewerber.
Die Praxis zeigt, dass es ungewöhnliche Formen weiter bringen. Das gilt auch für Bewerber.

„Überall vermitteln Unternehmen Bewerbern den Eindruck ,Hau bloß ab, wir brauchen dich hier nicht’“, ist sich Gaedt sicher. Vertriebsmitarbeiter würden aktiv nach neuen Kunden suchen, wohingegen Personalverantwortliche warten, dass von selbst Bewerber kommen. Darüber hinaus seien 99,9 Prozent aller Unternehmen für die Bewerber unsichtbar. Und wenn doch einmal jemand aktiv wird, werde bloß eine Stellenanzeige geschaltet. „Dabei sehen sich nur 34 Prozent aller Bewerber solche Anzeigen überhaupt an. Und diese verteilen sich dann auch noch auf die 1.583 Stellenbörsen, die es in Deutschland gibt“, deckt er das Missverhältnis auf.

Die Teilnehmer durften sich Postkarten zum Thema "Fachkräftemangel" von einer Wäscheleine angeln.
Die Teilnehmer durften sich Postkarten zum Thema “Fachkräftemangel” von einer Wäscheleine angeln.

Die meisten Bewerber würden den ersten Kontakt zum Unternehmen auf der Firmenhomepage bekommen. Hier fände man jedoch oft erst sehr spät den Punkt „Karriere“. „Doch nach 40 Sekunden Suchen ist der Bewerber schon wieder weg“, weiß Gaedt. Ist die passende Rubrik gefunden, heißt es hier zudem oft „zur Zeit sind leider keine Stellen offen“. „Dies spricht sich heutzutage schnell im Internet herum.“

Martin Gaed ruft auf zu mehr Respekt und Wertschätzung gegenüber den Bewerbern. Und vor allem zum Mut zur Veränderung: „Unternehmen müssen bei der Suche nach passenden Kandidaten neue Wege gehen. Fachkräftemangel haben nur die, die weitermachen wie bisher.“

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Was bedeutet Fachkräftemangel? Viele Unternehmer informierten sich.

Denn: „Die, die es sich leisten können, suchen sich ihren Arbeitsplatz aus.“ So seien allein im letzten Jahr 160.000 Akademiker aus Deutschland ausgewandert, weil sie im Ausland attraktivere Angebote bekämen.

„Das größte Problem ist, dass Arbeitsuchende und Arbeitgeber einfach nicht zusammen finden“, stellt er fest. Aus diesem Grund hat Martin Gaedt 2007 das Unternehmen younect gegründet. Dieses bietet Unternehmen vielfältige Möglichkeiten zur Optimierung. So können hier 2.- und 3.-platzierte Bewerber anderen Unternehmen weiterempfohlen werden. „Denn die besten Bewerber kommen alle bis auf einen in die Mülltonne. Und solange die meisten guten Bewerber noch Absagen erhalten, haben wir keinen Fachkräftemangel“, ist er sich sicher. Oft möchten Unternehmen ihre Bewerber nicht weiterempfehlen, weil der qualifizierte Jobsuchende ja dann „zur Konkurrenz geht“. „Doch wenn Sie einen Bewerber ablehnen, geht er ja sowieso zur Konkurrenz!“ spricht Gaedt das Augenscheinliche aus.

Zum Schluss gibt er Unternehmern, die denken, ihre Personalabteilung würde bestens arbeiten, einen Tipp: „Bewerben Sie sich inkognito in ihrem eigenen Unternehmen. Sie werden überrascht sein, was dabei heraus kommt.“

Veröffentlicht von:

ARKM-Zentralredaktion
Die Zentral-Redaktion erreichen per Mail redaktion@oberberg-nachrichten.de

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