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Gummersbach: Interview mit Frank Flatten

„Wir brauchen einen einheitlichen Spielplan”

Gummersbach – Vor dem Bundesliga-Heimspiel gegen die Rhein-Neckar Löwen äußerte sich Gummersbachs Manager Frank Flatten ausführlich zur Situation beim VfL Gummersbach und zu aktuellen Entwicklungen im deutschen Handball.

Frank Flatten (Quelle: VfL Handball Gummersbach GmbH)
Frank Flatten (Quelle: VfL Handball Gummersbach GmbH)

Die Spielzeit 2015/2016 geht allmählich in ihre entscheidende Phase. Nach 25 absolvierten Spielen sollten Sie beim Blick auf die Tabelle rundum zufrieden sein.

Frank Flatten: Das bin ich, da dürfen Sie sicher sein. Mit 28 Punkten aus 25 Spielen liegt die Mannschaft deutlich über dem Soll. Es sieht so aus, als sollten wir noch einmal besser abschneiden als in der vergangenen Saison, als wir mit Platz zehn sämtliche Erwartungen übertreffen konnten. Aber das war ja auch unser Saisonziel.

In der Tabelle ist der VfL sogar in Schlagdistanz zu den Europacup-Plätzen. Denkt man hinter vorgehaltener Hand über die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb nach?

Flatten: Jetzt müssen wir die Kirche aber im Dorf lassen. Die Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb sollte allenfalls unser mittelfristiges Ziel sein. Wenn wir also darüber nachdenken, dann perspektivisch. Die Voraussetzung dafür aber ist, dass wir unsere bislang so erfolgreiche Arbeit konsequent fortsetzen werden und weiterhin alles dafür tun, dass Klub und Mannschaft sich weiterentwickeln. Dann ist die Rückkehr des VfL Gummersbach auf die internationale Bühne eines Tages nur noch die logische Konsequenz daraus.

Die Entwicklung des Klubs aber ist erstaunlich: Vor drei Jahren war der VfL ein Abstiegskandidat, heute darf zumindest wieder von internationalen Spielen geträumt werden.

Flatten: Es ist doch schön, wenn sich die Erwartungshaltung unserer Fans und unseres Umfeldes dahingehend verändert, dass die Ansprüche nun wieder wachsen dürfen. Das ist ein Beleg unserer herausragenden Arbeit in den vergangenen Jahren, und eine Bestätigung dafür, dass wir damals den richtigen Weg eingeschlagen haben, als wir auf junge Leute – zum Teil aus der Region – und auf eine herausragende Ausbildung unseres Nachwuchses setzten. Die Mannschaft, die sich heute in der oberen Tabellenhälfte befindet, ist die zweitjüngste der gesamten Liga und setzt sich zu mehr als 80 Prozent aus deutschen Spielern zusammen. Deshalb sind wir mit der sportlichen Entwicklung der vergangenen zwei Jahre überaus zufrieden. Und man darf dabei auch nicht vergessen, dass diese Entwicklung vor der riesigen Herausforderung der wirtschaftlichen Konsolidierung geschah. Insofern war die Entscheidung zwar absolut richtig, aber auch sehr mutig, weiterhin einen sechsstelligen Eurobetrag in die Förderung des eigenen Nachwuchses zu investieren. Dies werden wir auch weiterhin tun.

Fans und Umfeld honorieren diese Entwicklung.

Flatten: Stimmt! Wir haben einen deutlichen Anstieg im Bereich der Zuschauerzahlen in der neuen Schwalbe Arena. Es fehlt nicht mehr viel, dann können wir bei jedem Ligaspiel ein „Ausverkauft!” vermelden. Die Stimmung in der Arena ist ohnehin fantastisch und überträgt sich auf das ganze Team. Das ist in den vergangenen drei Jahren richtig was zusammengewachsen. Eine Entwicklung, die auch daran ablesbar ist, dass mittlerweile richtig viele Fans auch zu den Auswärtsspielen mitfahren. Rund um den VfL hat sich eine richtige Fanbasis entwickelt.

Erfreulich ist auch die Tatsache, dass auch der Bundestrainer wieder verstärkt auf Gummersbacher Akteure zurückgreift.

Flatten: Wir sind ja vor drei Jahren auch mit der Prämisse angetreten, dem deutschen Handball und der DHB-Auswahl helfen zu wollen, indem wir Spieler für die Nationalmannschaft ausbilden. Damals hat man uns „etwas belächelt“ – nun ist es uns auch gelungen. Neben Carsten Lichtlein und Evgeni Pevnov, die schon längst zum Kader der Auswahl gehören, haben wir mit Julius Kühn, der aus der 2. Liga zu uns kam, und mit Simon Ernst, der noch vor zwei Jahren in der 3. Liga spielte, gleich zwei aktuelle Nationalspieler gefördert und entwickelt, die zuletzt in Polen sogar Europameister wurden. Das freut uns riesig und macht uns auch wahnsinnig stolz!

Insgesamt hilft die rasante Entwicklung der deutschen Nationalmannschaft dem Handball hierzulande…

Flatten: Absolut! Die Entwicklung ist gigantisch. Die Nationalmannschaft ist nach wie vor das Zugpferd unseres Sport. Und wenn dort ein guter Job gemacht wird, spüren das alle – nicht nur in der Bundesliga. Das geht hinunter bis zur Basis. Was wir nun brauchen, damit der Effekt des EM-Gewinns nicht wieder peu a peu verpufft, ist eine kontinuierliche Medienpräsenz über die Nationalmannschaft hinaus. Da gilt es, mit den öffentlich-rechtlichen Sendern zu sprechen, auch damit Handball vermehrt auch im Regionalfernsehen zu sehen ist. Das Interesse ist da – da bin ich mir sicher. Auch der Bezahlsender SKY wäre ein potenzieller Ansprechpartner. In Sachen Champions League hat die Crew aus München sehr viel Kompetenz bewiesen und fast alles richtig gemacht. Und dann wäre da ja auch noch die Möglichkeit Bundesligaspieler verstärkt via Livestreams im Internet zu übertragen.

Was halten Sie von dem Plan der Champions-League-Teilnehmer, den Kader eines Spiels von 14 auf 16 Spieler aufzustocken?

Flatten: Das ist eine viel zu komplexe Diskussion, um das mit wenigen Worten zu beantworten. Meine Haltung zu diesem Thema ist dabei auch noch nicht eindeutig. Einerseits halte ich das Ansinnen für überflüssig, da doch schon heute jeder Klub so viele Spieler verpflichten kann, wie er möchte. Er könnte dann von Spiel zu Spiel mit einem rollierenden System seine Spieler so einsetzen, um ihnen die erforderlichen Regenerationszeiten zu geben. Das Argument, besonders talentierte Spieler könnten auf diese Weise gefördert werden, ist für mich nicht stichhaltig. Im Gegenteil: Genau diese Spieler, bekämen bei anderen Klubs deutlich mehr Spielanteile und würden in ihrer Entwicklung deutlich besser gefördert, als bei einem Topclub Spieler Nummer 15 und 16 zu sein und kaum zum Zuge zu kommen oder nur, wenn Spiele entschieden sind. Andererseits sehe ich die Topclubs natürlich auch als sehr wichtig für die Liga an!

Nicht zuletzt deshalb hat die Liga schon vor Jahren das Jugendzertifikat eingeführt…

Flatten: …an dessen Zustandekommen ich als Mitglied des HBL-Präsidiums übrigens maßgeblich beteiligt war. Die jüngsten Ergebnisse der Nationalmannschaft sind nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass nachhaltig in den Nachwuchsbereich investiert worden ist. Wenn wir jetzt diese jungen Spieler nicht in den Teams reifen lassen, sehe ich hier nachhaltig eine Gefahr, dass uns der eine oder andere talentierte Spieler unter dem Radar durchrutscht. Andererseits kann ich das Ansinnen der Champions League-Teilnehmer nachvollziehen. Ich finde es nur nicht richtig, dass die kleineren Klubs – und dazu zähle ich auch den VfL Gummersbach – die Entwicklung auffangen sollen, die andernorts produziert wird.

Was meinen Sie?

Flatten: Die Bundesliga ist die am besten funktionierende Liga in Europa. Das ist ein absolutes Premium-Produkt, das es zu schützen gilt. Das Leben wird der Liga aber stets durch eine Ausweitung des internationalen Spielkalenders erschwert. Es gibt mittlerweile in jedem ein Großturnier – in diesem Jahr mit Olympia sogar zwei–, es gibt zahllose Qualifikationsspiele. Und es gibt eben diese aufgeblähte Champions League. Das fordert von jedem Topspieler in einem Topclub ein Maximum an Leistungsbereitschaft. Will heißen: Die Wunsch nach dem 15. und 16. Spieler entsteht ja ausschließlich bei den großen Klubs. Wer nicht international spielt, hat diese Belastung nicht. Ganz abgesehen davon, dass die finanziell weniger potenten Klubs dafür zusätzlich ihren Etat belasten müssten, während die CL-Teilnehmer, ohnehin schon begünstigt durch die Mehreinnahmen im internationalen Wettbewerb, dies locker stemmen könnten. Dies aber auch jetzt schon!

Die Änderung, dass der direkte Vergleich zählt, halte ich für sehr interessant und richtig, da es dann auch jetzt schon zu einer geringeren Belastung der Spitzenteams kommen wird, die derzeit um jedes Tor kämpfen müssen. Es gilt ein ausgewogenes Maß der Koordination zu finden, insbesondere ist jeder Verein dafür verantwortlich, seinen Spielern entsprechende Reha-Zeiten zubilligen zu müssen.

Da könnten sich die kleineren Klubs doch mit den sportlichen Branchenführern solidarisch zeigen.

Flatten: Das tun wir doch schon seit vielen Jahren. Wir ertragen doch nahezu klaglos einen total zerfledderten Spielplan, weil die CL am Wochenende ausgetragen wird. Mehr noch: Durch die Verlegung vieler Spiele in die Woche leidet die Liga nicht nur unter mangelnder Transparenz, was übrigens bei TV-Anstalten ein starkes Argument gegen weitere Übertragungen ist. Den Klubs entgehen im Laufe einer Saison dadurch Zuschauereinnahmen in teilweise sechsstelliger Höhe, weil die Spiele unter der Woche terminlich nicht ansatzweise so attraktiv sind, wie die am Wochenende. Unser innigster Wunsch, die CL-Spiele nicht mehr am Wochenende auszutragen, bleibt ungehört. Wünschenswert wäre, die Bundesligaspiele wie im Fußball grundsätzlich auf das Wochenende zu legen und hier einen einheitlichen Spieltag zu haben. Und hier benötigt die Liga die Solidarität.

Ist das realistisch?

Flatten: Das weiß ich nicht. Aber ich werde nicht müde, das einzufordern. Wenn ich mir CL-Übertragungen vom Wochenende anschaue, und es verlieren sich dann bei einigen Spielen nur wenige hundert Zuschauer in der Halle, blutet mir das Herz. Aber leider gelingt es uns nicht, den Druck auf die EHF und die anderen Teilnehmer der Champions League auszubauen, um die unsinnigen Gruppenspiele zu reduzieren.

Vielen Dank für das ausführliche Gespräch. Wir wünschen Ihnen und Ihrem Team viel Erfolg für das heutige Heimspiel gegen die Rhein-Neckar Löwen.

Quelle: VfL Handball Gummersbach GmbH

Veröffentlicht von:

Aline Walter
Aline Walter ist Redakteurin und kaufmännische Mitarbeiterin bei ARKM. Als Reporterin versorgt die Studentin des Medienmanagements sowie der Unternehmensführung die Oberberg-Nachrichten täglich mit aktuellen Nachrichten und Berichten aus der Region.

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