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BioScha(r)f: Reichshofer Schüler verkaufen Pilze und züchten Schafe

Reichshof – Die Welt für sie war weiß. Als die ersten Lämmer geboren wurden, lag noch Schnee. 39 Köpfe umfasst die Schafherde der Gesamtschule Reichshof, davon 19 Jungtiere. „Die Lämmer entwickeln sich prächtig“, sagt Stephan Demuth jetzt, fünf Monate später. Er betreut als Lehrer das Landwirtschaftsprojekt.

2013 GS_Reichshof
Die Austernpilze sind bei den Reichshofer Schülern sehr beliebt, die Gesamtschule wurde schon mehrfach ausgezeichnet.

Die Gesamtschüler, die mit der benachbarten St. Antonisschule, einer privaten Förderschule für Schüler mit emotionaler und sozialer Entwicklungsstörung, zusammen arbeiten, haben vor den Sommerferien noch einen alten Obsthof reaktiviert. Eine Fläche von einem Hektar wurde eingezäunt und mit Baumschutz versehen. Neue Obstbäume wurden gepflanzt. Das Ziel: Demnächst den Saft zu vermarkten. Bisher ist die Schülerfirma BioScha(r)f schon mit Austernpilzen gut im Geschäft.

Gesamtschule Reichshof
Die Austernpilze, die in der Schule auf den Tisch kommen, werden selbst gezüchtet.

Gut zwei Meter unter der Erde wächst im fahlen Neonlicht, was in der Gesamtschule auf den Tisch kommt und Schüler, Lehrer und Schulleiter strahlen lässt: Austernpilze. In dem Feuchtklima ist auch die Kooperation der Gesamtschule mit der benachbarten St. Antonisschule gewachsen.

Aus Dutzenden von Ballen, die in Regalen liegen, sprießen die eiweißreichen schiefergrau bis dunkelbrauen Seitlinge. Lion (14) und Dominik (13) von der St. Antoniusschule lösen die in Büscheln aus dem Substrat sprießenden Pilze. Seit Beginn des Schuljahres wird in der zur Pilzzucht-Station umfunktionierten Kegelbahn produziert. Jetzt, über die Sommerferien, haben sie die Pilzproduktion gestoppt. Ab September geht es wieder los. Während die Förderschüler ernten, präsentieren die Gesamtschüler aus der Klasse 10 am i-Pad ihre Schüler-Genossenschaft. Sie vermarktet die Pilze.

Sieben Minuten Fußweg von der Gesamtschule entfernt blöken die Schafe in einem Gatter. Das Areal am Rande des Reichshofer Freizeitgeländes ist Standort für ein weiteres gemeinsames Aktionsfeld: Schafzucht, Kompostierung, Brennholz-Vermarktung.

Gesamtschule Reichshof
Zum Kooperationsprojekt zwischen Gesamtschule und St. Antoniusschule gehört auch die gemeinsame Schafszucht.

Mittwochs trifft sich hier die Projektgruppe Landwirtschaft aus Achtklässlern der Gesamtschule. Für die wachsende Schafherde muss ein weiteres Gatter her. – Lagebesprechung mit den Achtklässlern. Die Pädagogen erläutern die anstehenden Arbeiten. Die Schüler werden eingeteilt: aufräumen, Platz schaffen, Pfosten abmessen, Bretter sägen. Und ein Trupp kümmert sich um den Grill. Wer arbeitet soll auch essen. Und Spaß haben dabei.

Zum landwirtschaftlichen Bereich der Gesamtschule gehören auch Bienenstöcke, ein Kartoffelfeld, die Produktion von naturtrübem Apfelsaft. Hochbeete und ein Gewächshaus für die Anzucht von Pflanzen haben in diesem, Sommer ihre erste Bewährungsprobe zu bestehen. „Jeder Schüler soll ein ein Quadratmeter großes Beet bewirtschaften“, schildert Demuth. Dabei sollen sie lernen, was in die Region passt und welche Pflanzen sich als Nachbarn vertragen – oder eben nicht. Lernort Natur. Ebenso wie der Schulgarten, der im vorigen Jahr angelegt worden ist.

Gesamtschule Reichshof
Kuscheliger Nachwuchs in der Schafherde.

Ein Bauwagen, den die Schüler natürlich selbst hergerichtet haben, dient als außerschulischer Lernort („Fliegende Bauten“). Die Schule will ganzheitliches Lernen fördern. Schulleiter Dieter Ströhmann: „Der Name ‚Fliegende Bauten‘ beruht auf wechselnden Lernorten, die sich nach den jeweiligen Inhalten richten.“ Ziehen die Schafe auf eine andere Weidefläche, zieht der Bauwagen mit. Oder er steht dort, wo gerade die Bienenvölker ausschwärmen. Durch verschiedene Blütenphasen und damit Honigsorten ergeben sich ebenfalls neue Lernorte. Die Schule versteht sich als „Lernschule und Lebensschule“. „Nachhaltig und ganzheitlich“ sind für Schulleiter Dieter Ströhmann Leitbilder bei den Projekten.

Die Schafe pflegen nicht nur Grünland, sie liefern auch Wolle. Die wird im Kunstunterricht zu Filz verarbeitet. In der Verknüpfung mit dem Projekt „Kultur und Schule“ wird, gemeinsam mit Künstlern, aus dem Filz eine Jurte gefertigt. Die soll, wiederum über die Schülergenossenschaft, vermarktet werden.

Im Zusammenhang mit den landwirtschaftlichen Aktivitäten wird handwerkliches Geschick gefördert: Die Schüler arbeiten handlungsorientiert und halten am Ende ein Produkt in Händen. Sie erleben den Kreislauf der Natur: Ströhmann. „Wir wollen den Schülern zeigen, wo das Essen herkommt und wie es produziert wird.“

Dabei ist der Mensaverein ein Motor. „Dadurch ist die Schule heftig gefordert“, sagt Ströhmann. 100 Eltern arbeiten außerhalb von Mitwirkungsgremien regelmäßig in der Schule mit, davon 80 im Mensaverein. Der legt Wert auf gesundes Essen, auf Produkte aus der Region.

Das war auch ein Grund, warum die Schule dreimal in Folge, 2009 bis 2011, mit dem Entwicklungspreis „Gute gesunde Schule“ ausgezeichnet worden ist. Eltern, die sich einbringen, interessante Unterrichtsangebote, gute Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte, naturnahe Gestaltung des Schulhofes, waren weitere Kriterien. „Die intensive Beteiligung von Schülerinnen und Schülern an Lernfeldern, die über den reinen Unterricht hinaus gehen (z. B. in Küche, Landwirtschaft, Gartengestaltung), erbringt positive und persönlichkeitsbildende Effekte bei den Schülern“, heißt es in der Laudatio zur Auszeichnung als „Gute gesunde Schule“ 2011.

Positive Effekte sieht auch Hubert Jansen, Leiter der St. Antoniusschule. Die Förderschüler brauchten „lebenspraktische Ansätze“. Die bietet der landwirtschaftliche Bereich. Und in Verbindung mit den Schüler-Firmen beider Schulen, die sich um wirtschaftliche Fragen und Marketing kümmern, werden die Schüler „an Interessengebiete herangeführt, „die sie für sich erschließen können.“

Gesamtschule Reichshof
Die Mensa hält für die Schüler regionale Produkte bereit.

Und in der Schülerfirma BioScha(r)f lernen die Schüler, wie sie Produkte vermarkten und Ressourcen kalkulieren müssen. Ein Abnehmer der Pilze etwa ist die Mensa. Serviert werden zu Mittag Austernpilze, die, die Lion und Dominik am Morgen geerntet haben. Derweil haben die Offiziellen von Kurverwaltung und Heimatverein die Schul-Pilze schon als Marketing-Baustein im Blick. Sie sehen in der Pilzzucht eine „besondere Attraktion“ für den Kurort und haben den Schülerfirmen angeboten, beim nächsten Fest wieder kostenlos einen Stand zu betreiben.- Die Schul-Produkte aus dem dunklen Keller entwickeln Strahlkraft für den Ort.

Text und Bilder: Rüdiger Kahlke.

Veröffentlicht von:

ARKM-Zentralredaktion
Die Zentral-Redaktion erreichen per Mail redaktion@oberberg-nachrichten.de

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